Benötigen Sie Hilfe oder Informationen?
fragen Sie
Dr. Andreas Konrad
Dr. Andreas Konrad

Schritt 1 von 2

50%

4. Transport in Membranen

Im folgenden Kapitel soll für die in dieser Arbeit untersuchten aminfunktionalisierten Carrier-Membranen ein makroskopisches Transportmodell entwickelt werden, welches auch die Rolle von Wasser in der Membran berücksichtigt. Der Transport durch Membranen kann als quasi eindimensionaler Prozess hinreichend genau beschrieben werden, da jedes Flächenelement der Membran näherungsweise die gleichen Eigenschaften und normierten Permeabilitäten besitzt und die Transportrichtung durch eine treibende Kraft senkrecht zur Membranebene (Partialdruckdifferenz) vorgegeben ist. Eine genauere Betrachtung des Transportprozesses macht es erforderlich, die Teilprozesse

  1. Transport zur Grenzfläche und Aufnahme in die Membranmatrix
  2. Diffusion durch die Membran
  3. Desorption und Wegtransport von der Membranrückseite

einzeln zu diskutieren. Für den Teilschritt Transport durch die Membran wurden für poröse und dichte Membranen (vgl. Kap. 2.1.1) unterschiedliche Modelle für die Beschreibung entwickelt. Während bei porösen Membranen Geometrie und Oberflächenvorgänge in den Poren entscheidend sind, werden bei dichten Membranen molekulare Vorgänge in der Membranmatrix ausschlaggebend. Eine Besonderheit stellen Carrier-Membranen dar, bei denen Transportprozesse mit chemischen Reaktionen gekoppelt sind.

4.1 Transport in porösen und dichten Strukturen

 

Abhängig von der Porengröße r (vgl. Abbildung 9) und der Membranstruktur liegen unterschiedliche Transport- und Trennmechanismen vor.

Abbildung 9: Porengrößen von Membranen.

 

In Tabelle 7 sind Porengrößenbereiche für die oben gezeigten Membranstrukturen angegeben.

Diffusion Knudsen- Diffusion Molekularsieb Lösungs-Diffusions- Membran
r/m > 10-7 10-7– 10-6 < 10-8 < 10-9
D/m2s 10-5 -10-4 10-6 10-7 10-9
Trennung keine M10,5/ M20,5 Oberflächendiffusion, Sorption, Diffusion in Poren Sorption, Diffusion
Beispiele Defekte in Membranen CO2/H2 = 0,21 C-Membranen [64] Trennschichten (fast) aller kommerzieller Membranen
Tabelle 7: Vergleich von porösen und dichten Membranen.

 

Je dichter die Membranstrukturen werden, um so mehr nimmt der Diffusionskoeffizient D von Gasen ab. Im Bereich der Knudsen-Diffusion korreliert der Trennfaktor mit der Wurzel der Molmassen M der Gase [64]. Bei der Porengröße von Molekularsiebmembranen gewinnen Oberflächeneffekte an Bedeutung. Extremfall ist z.B. die Abtrennung von Alkanen aus Alkan-Wasserstoffmischungen, wobei angenommen wird, dass Alkane die Membran entlang der inneren Oberfläche durchwandern und gleichzeitig die Poren für Wasserstoff blockieren [65].

Lösungs-Diffusions-Membranen haben keine kontinuierlichen Passagemöglichkeiten. Die Gase diffundieren durch vorübergehende Löcher der Polymermatrix, die durch die thermisch induzierten Bewegungen von Kettensegmenten des Polymers entstehen.

4.2 Transport in Lösungs-Diffusions-Membranen

 

4.2.1 Modellierungsansätze

Für die Beschreibung von Transportvorgängen in Lösungs-Diffusions-Membranen existiert eine Vielzahl von Modellen (einen Überblick gibt [20], S. 3-11).

Molekulare Modelle (MD-Simulationen) haben zu einem weitergehenden Verständnis der Transportmechanismen von Gasen in Polymeren beigetragen.

Es konnte gezeigt werden, dass die Diffusion von Gasen in einer Polymermatrix als „hopping“ von einer Lochstelle zur nächsten erfolgt [66].

Mikroskopische Modelle (z.B. „free volume“) werden zur Struktur-Permeabilitäts-Korrelation experimenteller Ergebnisse verwendet, haben aber keinen Vorhersagecharakter, da Modellparameter nicht direkt mit der chemischen Struktur der Polymere zusammenhängen.

Die einfache makroskopische Beschreibung ermöglicht es, die Beiträge von Diffusion und Löslichkeiten von Gasen für die Permeabilität zu separieren.

4.2.2 Makroskopische Beschreibung: Lösungs-Diffusions-Modell nach Graham

Nach dem von Graham bereits 1866 entwickelten Modell (vgl. [67], S. 269) wird die Gaspermeation durch die Diffusion in der Membranmatrix kontrolliert. Der Transportprozess beginnt mit der Adsorption an die Membranoberfläche und der geschwindigkeitsbestimmenden Absorption in die Membranphase.

Es wird dabei von einem Lösungsgleichgewicht ausgegangen, was sich zwischen einem Gasmolekül in Kontakt mit der Membranoberfläche und einem in der Membran nahe der Oberfläche befindlichen gelösten Gasmolekül einstellt. Für Gase wie He, H2, O2 und N2 gilt für einen weiten Temperatur- und Druckbereich das Henrysche Gesetz (vgl. Gl. 8).

(Gl. 8)

 

pF: Partialdruck Feed

Hc: Henryscher Koeffizient (cm3·bar·Ncm-3)

cF: Konzentration in der Membranphase, feedseitig (Ncm3·cm-3 Polymer)

Für CH4 und CO2 gilt diese Beziehung nur für moderate Temperaturen und Drücke, für noch leichter kondensierbare Gase, wie z.B. Wasser oder Butan, liegt eine starke Druckabhängigkeit der Löslichkeit vor (Beschreibung mit dem „Dual sorption“-Modell, vgl. [68], S. 4971).
Die anschließende Diffusion durch die Membran ist, sofern keine starken Polymer-Gas-Wechselwirkungen vorliegen (Quellung, vgl. Literaturzitate 11, 12 ,15 in [20]) durch das erste Ficksche Gesetz beschreibbar (vgl. Gl. 9).

Gl. 9: Erste Ficksches Gesetz

(Gl. 9)

 

Für die Desorption gilt analog das Henrysche Gesetz. Die Gleichgewichtskonzentration (Löslichkeit) c eines Gases in der gesamten Membranmatrix ist eine Funktion der Löslichkeit und des Partialdrucks (vgl. Gl. 10).

Gl. 10: Gleichgewichtskonzentration c eines Gases in Membranmatrix

(Gl. 10)

 

S: Löslichkeitskoeffizient (Ncm3·cm-3·bar-1)

Für kleine c ist S unabhängig von p und c. Durch Koeffizientenvergleich erhält man dann aus Gl. 8 und Gl. 10:

Gl. 11: Loeslichkeitskoeffizient S

(Gl. 11)

 

Aus Gl. 9 und Gl. 10 erhält man:

Gl. 12: Permeabilitaet J

(Gl. 12)

 

Integration über die Membrandicke ergibt:

Gl. 13: Permeabilitaet J

(Gl. 13)

 

Somit ergibt sich normiert auf die Partialdruckdifferenz (vgl. Kap. 2.2.1) die Permeabilität, mit den genannten Einschränkungen, als Produkt aus Diffusions- und Löslichkeitskoeffizient:

Gl. 14: Permeabilitaet J

(Gl. 14)

 

Die Permeabilität hängt somit von einem kinetischen (D) und einem thermodynamischen Faktor (S) ab. Die Gasgeschwindigkeit in Polymeren nimmt im allgemeinen in der Reihenfolge: H20 > H2 > He > H2S > CO2 > O2 > Ar > CO > CH4 > N2 ab. Somit ist eine Membran, die CO2 gegenüber H2 bevorzugt durchläßt, nur über Löslichkeitsselektivität zu realisieren!

4.3 Transport in Carrier-Membranen

 

Carrier-Membranen sind ein Spezialfall von Lösungs-Diffusions-Membranen. Sie sind porenfrei bzw. die Poren der Membranen sind mit Flüssigkeit gefüllt. Sie enthalten sogenannte Carrier als stoffspezifische Trägersubstanzen.

4.3.1 Carrier-Systeme für CO2

Carrier besorgen den spezifischen Transport von Substanzen oder einer Substanzgruppe, mit der sie selektiv, schnell und reversibel reagieren.

Bekannte Beispiele für Carrier aus biologischen Systemen sind das Hämoglobin für Sauerstoff, Enzyme in den Mesophyllzellen von C4-Pflanzen, die beim CO2-Pumpzyklus im ersten Schritt für die Fixierung von CO2 sorgen [69] oder Kohlensäure-Anhydrase, die die Bildungsgeschwindigkeit von Hydrogencarbonat aus Kohlendioxid stark beschleunigt [70, 71].

In synthetischen Membranen finden als Carrier für CO2 Carbonatlösungen und Amine Verwendung. Die Bildung von Hydrogencarbonat aus reinem Wasser und CO2 ist langsam (k = 4,36·10-7 mol·l-1, 25 °C [72]) und das Gleichgewicht liegt auf der Seite von Kohlendioxid. CO2 liegt zu 99,8% physikalisch gelöst vor. In Carbonatlösungen bildet sich Hydrogencarbonat vergleichsweise schnell (pH-Abhängigkeit, siehe dazu Gl. 29-30) aus Carbonat, CO2 und Wasser (vgl. Gl. 15)[73].

Gl. 15: Bildung von Hydrogencarbonat

(Gl. 15)

 

Der Transport von CO2 in Richtung eines Konzentrationsgradienten kann somit in Form von gelöstem CO2 und zusätzlich in Form von Hydrogencarbonat erfolgen. Folglich ergeben sich insgesamt höhere Permeabilitäten für CO2 [74, 75]. Die Bildung von Hydrogencarbonat kann durch Additive wie Arsenit, das sowohl als Hydrolysekatalysator als auch als Puffer zur Einstellung eines optimalen pH-Wertes für die Reaktion wirkt [72] oder Komplexbildner (vgl. Kap. 3.4) beschleunigt werden.

Analog zu Carbonatlösungen verhalten sich Anionenaustauscher in Carbonatform, wobei die Anionenaustauschergruppen meist polymer fixierte Amine (vgl. unten) sind (vgl.[34], S. 340).

Für die Carrierwirkung von Aminen für CO2 (vgl. Kap. 3.3 ) sind drei prinzipielle Möglichkeiten nachgewiesen. Die Bildung von Carbamaten (Beispiel Formel 5) und die Entstehung von Hydrogencarbonat, vor allem durch Basenkatalyse (Beispiel Formel 6). Des weiteren ist bei Aminoalkoholen die Bildung von Monoalkylcarbonaten (siehe [38], S. 54, [76]) bekannt.

Formel 5: Carbamatbildung an polymer fixiertem sekundären Amin.

 

Formel 6: Basenkatalysierte Bildung von Hydrogencarbonat an polymer fixierten tertiären Amin.

 

Die Carbamatbildung ist nur bei primären und sekundären Aminen möglich, die gebildeten Carbamate dissoziieren sofort und entstehende Protonen werden von weiteren Aminen aufgenommen [77]. Die Bildung von Hydrogencarbonat setzt die Anwesenheit von Wasser voraus, und wird durch Amine oder Ammoniumsalze katalysiert.

4.3.2 Beschreibung durch ein makroskopisches Modell

Der Transport in Carrier-Membranen (vgl. Kap. 4.3) erfolgt zusätzlich zum diffusiven Mechanismus (vgl. Kap. 4.2.2) durch reaktiven Transport (vgl. [62], S. 5), der sich analog dem Lösungs-Diffusions-Mechanismus aus mehreren Teilschritten zusammensetzt. Der Transport beginnt mit der Adsorption an die Membranoberfläche und anschließender chemischer Reaktion eines CO2-Moleküls mit einem Carrier. Für den Transport durch die Membran gibt es zwei prinzipielle Möglichkeiten:

1.) Ist der Carrier in der Membranmatrix mobil, diffundiert der Carrier-CO2-Komplex nach dem Konzentrationsgradienten in Richtung Permeatseite und der Carrier entgegengesetzt in Richtung Feedseite.

Abbildung 10: Modell für den Transport von CO2 in einer Carrier-Membran.

 

Der Carrier-CO2-Komplex kann an jeder Stelle der Membran zerfallen (Gleichgewichtsreaktion) und CO2 rein diffusiv weiter transportiert werden oder bisher diffusiv transportiertes CO2 von freiem Carrier aufgenommen werden (vgl. Abbildung 10).

2.) Ist der Carrier an der Membranmatrix fixiert und somit nicht mobil („fixed site carrier“) ist für den Transport durch die Membran an jeder Carrierstelle die Komplexbildung und der Zerfall notwendig. Der Transport erfolgt dann durch eine Art „hopping“ von einer Carrierstelle zur nächsten. Diese Situation ähnelt der bei mobilen Carriern, wenn die Bildung und der Zerfall des Komplexes schnell ist im Vergleich zur Diffusion des Carrier-CO2-Komplexes. Permeatseitig kommt es zum Zerfall des Carrier-CO2-Komplexes und zur Desorption von CO2.

Die Permeabilität PCM einer Carrier-Membran läßt sich analog den Überlegungen in Kap. 4.2.2 durch eine Erweiterung des Lösungs-Diffusions-Modells beschreiben, wobei die Beiträge beider Transportwege zur Permeation aufsummiert werden. (vgl. Gl. 16)

(Gl. 16)

 

Mit DRD als Diffusionskoeffizient für die reaktive Diffusion und SC als Löslichkeit, die durch Carriergruppen verursacht wird.

Der Fluß J eines Gases durch eine Membran (vgl. Kap. 2.2.1 ) ergibt sich gemäß Gl. 17 aus der Permeabilität, dem Partialdruckunterschied dieses Gases zwischen Feed und Permeatseite und der Membrandicke l.

(Gl. 17)

 

Bei einer Lösungs-Diffusions-Membran ist P unabhängig vom Feeddruck (vgl. Gl. 11 und dort angegebene Näherungen), bei zunehmenden Feeddruck und konstantem Permeatdruck und somit resultierender zunehmender Partialdruckdifferenz steigt der Fluß J linear mit Δp an.

Bei der reaktiven Diffusion kommt es zur Sättigung des Carriers bei hohen Partialdrücken der reaktiven Komponente im Feed (Langmuir-Charakteristik), da die Anzahl der Carrierstellen an der Membranoberfläche begrenzt ist (vgl. Gl. 18).

(Gl. 18)

 

Die carrierbedingte, feedseitige Konzentration in der Membranphase cF(Carrier) ist abhängig von der Konzentration der Carrierstellen in der Polymermatrix cCarrier, der Gleichgewichtskonstante K = ka/kd und dem Verhältnis der Geschwindigkeiten der Carrier-Komplexbildungs zur Komplexdissoziationsreaktion.

Die Löslichkeit SC und somit die Permeabilität (vgl. Gl. 16) wird dadurch zu einer Funktion des Partialdrucks der mit dem Carrier reagierenden Komponente im Feed.

Aus Gl. 18 geht hervor, dass bei geringen Partialdrücken der reaktiven Komponente im Feed eine schnelle Komplexbildung und die Konzentration der Carrierstellen in der Membranmatrix für das Erreichen einer hohen Löslichkeit und somit hoher Permeabilitäten maßgeblich ist. Der Anteil besetzter Carrierpositionen nimmt bei gleichem Partialdruck um so mehr zu, je schneller die Komplexbildungsreaktion im Vergleich zur Komplexdissoziationsreaktion ist. Bei hohen Partialdrücken (K·pF ~ 1+(K·pF)) ist näherungsweise nur noch die Konzentration der Carrierstellen (CF(Carrier)~ CCarrier) in der Membran für eine hohe Löslichkeit entscheidend.

Für einen konstanten Permeatdruck zeigt der Fluß über eine Carrier-Membran die in Abbildung 3 schematisch gezeigte Abhängigkeit vom Feeddruck [78].

Abbildung 11: Feeddruckabhängigkeit des Transports durch Carrier-Membranen.

 

Carrier-Membranen weisen bei kleinen Feeddrücken keine lineare Abhängigkeit der Flüsse mit der treibenden Kraft auf.

Die auf die Partialdruckdifferenz normierte Permeabilität der mit dem Carrier reagierenden Substanz nimmt mit zunehmenden Feeddruck erst stark ab und wird dann näherungsweise konstant (P = J/Δp, vgl. Abbildung 12).

Abbildung 12: Abhängigkeit der Permeabilität vom Feeddruck.

 

Analog verhalten sich die Trennfaktoren (vgl. Gl. 4), da die Permeabilitäten der nicht mit dem Carrier reagierenden Gase bei zunehmenden Feeddruck in etwa konstant bleiben.

4.3.3 Erweiterung des Modells: Analyse der Reaktionskinetik der Carrier und der Diffusionsköffizienten

Um zu einer mikroskopischen Modellierung der Vorgänge beim reaktiven Transport durch eine Carrier-Membran zu kommen, sind sowohl die Kinetik der Reaktionen des Carrier mit CO2, als auch die dabei auftretenden Teilchen und deren Transport in der Membranmatrix zu diskutieren.

In Abbildung 13 sind die für ein einseitig an die Gasphase (Feed) angrenzendes Volumenelement der Membranmatrix prinzipiell auftretenden Stoffströme in und aus dem Volumenelement und die im Volumenelement für die Beschreibung des Transports relevanten Teilchen aufgeführt. Solvens und Gegenionen sind dabei nicht berücksichtigt. Die Carriergruppen sind durch ein A symbolisiert.

Abbildung 13: Einseitig an Gasphase (Feed) angrenzendes Volumenelement der Membranmatrix und darin enthaltene Teilchen.

 

Im stationären Zustand sind die Konzentrationen aller Teilchen im Volumenelement konstant. Die Konzentration an physikalisch gelöstem CO2 ergibt sich gemäß dem Lösungs-Diffusions-Modell (vgl. Gl. 10):

Gl. 19: Konzentration an physikalisch geloestem CO2

(Gl. 19)

 

Für die CO2-Massebilanz des Volumenelements gilt:

Gl. 20: CO2-Massebilanz des Volumenelements

(Gl. 20)

 

Der dem Volumenelement zufließende Stoffstrom an CO2 (in) verläßt das Volumenelement (out) als CO2, Carbamat und Hydrogencarbonat. Die Bildung von Hydrogencarbonat setzt die Anwesenheit von Wasser voraus. Liegt der Carrier an der Polymermatrix fixiert vor, kann Carbamat das Volumenelement nicht tatsächlich verlassen, der Massenstrom bezieht sich dann auf das als Carbamat durchgereichte CO2. Analog verlassen bei jedem vollständig in der Membranmatrix liegendem Volumenelement die genannten Stoffströme das Volumenelement und fließen dem benachbarten Element zu. Das permeatseitig an die Gasphase grenzende Volumenelement verläßt nur ein CO2-Stoffstrom, d.h., dort müssen die Rückreaktionen der in Kap. 1.3.1 beschriebenen CO2-Carrier-Reaktionen, die Freisetzung von CO2 aus Carbamat und Hydrogencarbonat, ablaufen. Damit diese Reaktion abläuft, dürfen die CO2-Carrier-Komplexe nicht zu stabil sein [79].

Für eine Modellierung des Transportes ist es notwendig zu beschreiben, in welchen Konzentrationen Carbamat und Hydrogencarbonat abhängig von der CO2-Konzentration im Volumenelement vorliegen und wie schnell sich CO2 mittels der verschiedenen Transportmechanismen bewegt.

Unter der Voraussetzung, dass die CO2-Carrier-Reaktionen schnell sind im Vergleich zur Diffusion, wie es in der Membranmatrix im allgemeinen der Fall ist, stellen sich in jedem Volumenelement die chemischen Gleichgewichte ein.

Way et al. (vgl. [35], S. 483) haben für Nafion-EDAH+-Membranen Damköhler Zahlen (Verhältnis von Diffusionskoeffizient zu Reaktionsgeschwindigkeit) von 7,19·10 3 gefunden, d.h. der Stofftransport ist durch die Diffusion limitiert.

Der Prozess der Carbamatbildung aus CO2 und Aminen und gekoppelten Transportprozessen ist ausführlich experimentell untersucht und modelliert [38, 77, 80].

Die ablaufende Reaktionsfolge lautet:

Gl. 21: Carbamatbildung aus CO2 und Aminen 1

(Gl. 21)

 

Gl. 22: Carbamatbildung aus CO2 und Aminen 2

(Gl. 22)

 

Für die Carbamatbildung mit anschließender Dissoziation und Protonierung eines weiteren Amins ergibt sich die Gleichgewichtskonstante KCA dann wie folgt :

Gl. 23: Gleichgewichtskonstante KCA fuer Carbamatbildung mit anschliessender Dissozation und Protonierung

(Gl. 23)

 

Für die Bindung eines mols CO2 werden 2 mol Carrier gebraucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Hydrolyse des gebildeten Carbamats zu Hydrogencarbonat vernachlässigbar ist (vgl. [76], S. 262).

Als Parallelreaktion zur Carbamatbildung läuft die Hydrogencarbonatbildung ab. Für die Reaktion sind zwei Mechanismen bekannt [76, 81, 82]:

1) Allgemeine Basenkatalyse durch das freie Elektronenpaar von Aminen (vgl. Gl. 23-26). Der Schritt der Hydrogen-carbonatbildung ist geschwindigkeitsbestimmend:

Gl. 24: Hydrogencarbonatbildung

(Gl. 24)

 

Mit der Gleichgewichtskonstante KHC:

Gl. 25: Gleichgewichtskonstante KHC

(Gl. 25)

 

Der sich anschließende Protonentransfer ist schnell:

Gl. 26: Anschliessender Protonentransfer

(Gl. 26)

 

Die Geschwindigkeit der Hydrogencarbonatbildung ist proportional der Konzentration nicht protonierter Amine. Die Effektivität von Aminen für die Basenkatalyse nimmt von tertiären zu primären Aminen hin ab (vgl. [76], S. 264). Die Geschwindigkeitskonstanten für die aminkatalysierte Reaktion von CO2 in wäßrigen Lösungen steigt mit steigender Basizität des Amins (vgl. [81], S. 3408).

2) Hydrogencarbonat entsteht aus CO2 und Hydroxylionen, die in wäßrigen Lösungen von Aminen aufgrund deren basischer Eigenschaften vorliegen (vgl. Gl. Gl. 27Gl. 29).

Gl. 27: Amine in waessriger Loesung

(Gl. 27)

 

Mit der Gleichgewichtskonstante KBA:

Gl. 28: Gleichgewichtskonstante KBA

(Gl. 28)

 

Die entstehenden OH-Ionen reagieren mit gelösten CO2 relativ schnell zu Hydrogencarbonat:

Gl. 29: Enstehung Hydrogencarbonat

(Gl. 29)

 

Die Gesamtreaktion für die Hydrogencarbonatbildung ist bei beiden Reaktionswegen identisch:

Gl. 30: Gesamtreaktion Hydrogencarbonatbildung

(Gl. 30)

 

Gebildetes Hydrogencarbonat hat als Gegenion jeweils ein protoniertes Amin, für die Bindung eines mols CO2 ist somit 1 mol Carrier notwendig.

Das Modell ist auch übertragbar auf Situationen, in denen Hydroxylionen aus Wasser durch andere schwache Basen (z.B. F) erzeugt werden (vgl. Formel 3, 1 PVBTAF).

Die Weiterreaktion von Hydrogencarbonat zu Carbonat ist pH-, druck- und temperaturabhängig.

Im Bereich pH < 8 liegt praktisch kein Carbonat vor, im Bereich pH > 10 ist die Carbonatbildung aus Hydrogencarbonat schnell. Im Bereich pH 8-10 sind beide Anionen in relevanten Mengen im Gleichgewicht vorhanden.

Im oben stehenden Abschnitt sind die auftretenden Teilchen und die Kinetik ihrer Bildung diskutiert worden, im weiteren sollen die Diffusionsgeschwindigkeiten der auftretenden Teilchen behandelt werden.

Teilchen D/cm2·sec-1·106 Membranmatrix Literatur
CO2 5,6 Nafion [38], S. 61
CO2 8,4 Polyallylamin [37], S. 4073
HCO3 4,75 Nafion berechnet, nach [62; 11, S. 955]
EDAH+ 1,7 Nafion [38], S. 61
EDAH2+ 0,8 Nafion [38], S. 61
EDACO2 1,25 Nafion [38], S. 61
Tabelle 8: Diffusionsköffizienten in Carrier-Membranen.

Die Diffusionsgeschwindigkeiten in freier Lösung sind immer höher als in einer polymeren Membranmatrix. Die Diffusionsgeschwindigkeit von CO2 in Wasser beträgt 1,92·10-5·cm2·sec-1(25 °C, 1atm) [83]. In Tabelle 2 sind experimentell bestimmte Diffusionsköffizienten von Teilchen in CO2-Carrier-Membranen aufgelistet. Für geladene Teilchen sind sie durch Leitfähigkeitsmessungen zugänglich. Die Diffusionskoeffizienten sind abhängig von der Art der Membranmatrix. Die oben gezeigten Diffusionsköffizienten sind hoch im Vergleich zu den ansonsten in Polymeren üblichen (vgl. Tabelle 7). Ursache dafür ist, dass es sich bei den verwendeten Membranen um wassergequollene Gele handelt, die Eigenschaften zwischen freier Lösung und Polymer zeigen (vgl. Kap. 4.3.4). Mit zunehmender Molmasse der Teilchen sinken die Diffusionsgeschwindigkeiten, deshalb ist es sinnvoll, bei mobilen Carriern möglichst Amine geringer Molmasse einzusetzen (vgl. [40], S. 258) und die Membranmatrix der Größe der zu transportierenden Teilchen anzupassen [84].

4.3.4 Erweiterung des Modells: Analyse der Funktion von Wasser

Wie oben stehende Diffusionsgeschwindigkeiten und die Betrachtungen in Kap. 3.7 zeigen, kommt Wasser beim Transport in Carrier-Membranen eine besondere Bedeutung zu. Der Einfluß des Wassers auf den Gastransport durch Polymere beruht auf verschiedenen Effekten.

Bei Membranen, die mobile Carrier enthalten, dient Wasser als Lösemittel und Transportmedium für Carrier-Reaktand-Komplexe.

Wasser quillt eine hydrophile vernetzte Polymermatrix zu einem Gel auf, es liegen vom Wassergehalt des Gels abhängige Strukturen vor.

Durch die Quellung werden funktionelle Gruppen im Polymer, die im trockenen Polymer für Reaktanden nicht erreichbar sind, z.T. erst als Reaktionsstellen verfügbar. Es entstehen in der Polymermatrix mit Wasser befüllte Kanäle, in denen Ionen ähnlich wie in einer Flüssigkeit wandern können (vgl. [77], S. 4783). Je höher der Wassergehalt eines solchen Gels ist, um so mehr ähneln dessen Eigenschaften denen der freien Lösung.

Wasser an sich besitzt schon eine Lösungs-Diffusions-Selektivität für Gase. Tabelle 9 zeigt die Verhältnisse von Diffusionskoeffizienten, Löslichkeiten [39, 83] und daraus anhand dem Lösungs-Diffusions-Modell (vgl. Gl. 14) berechneten Trennfaktoren für reines Wasser.

Gaspaar D/D S/S α = P/P
CO2/H2 0,56 37,8 21
CO2/N2 1,06 53,8 57
CO2/CH4 1,12 27,8 31
Tabelle 9: Berechnete Trennfaktoren von reinem Wasser für Gase bei 25 °C und Normaldruck.

 

In Salzlösungen und ionischen Polymeren sind die Löslichkeiten nichtpolarer Gase niedriger [85] und somit die theoretisch möglichen Trennfaktoren z.B. für CO2/H2 oder CO2/N2 höher.

Kleinere Defekte in der Membranmatrix werden ebenfalls durch die Benetzung mit Wasser ausgeglichen, die Membranen sind quasi defekt- und porenfrei und weisen somit im Idealfall im Vergleich zum eigentlichen Polymermaterial kaum Selektivitätsverluste auf.

Für das Funktionieren von Carrier-Membranen auf der Basis von kovalent gebundenen oder ionenausgetauschten tertiären und quartären Aminen ist die Anwesenheit von Wasser als Reaktionspartner notwendig. Der Transport von CO2 und H20 ist dann miteinander gekoppelt. In Abbildung 14 ist ein Modell für den Stofftransport in solchen Membranen gezeigt.

Abbildung 14: Kopplung von Wasser und CO2 Transport in Carrier-Membranen.
Abbildung 14: Kopplung von Wasser und CO2 Transport in Carrier-Membranen.

 

Die Transportrichtung für CO2 und HCO3 ist aufgrund der CO2 Partialdruckdifferenz Feed-Permeat vorgegeben.

Der ungekoppelte Transport von H20 durch die Membran erfolgt ebenfalls in Richtung des niedrigeren H20-Partialdrucks, dieser kann sowohl im Feed als auch im Permeat vorliegen.

Hydrogencarbonat und Protonen wandern als Hydrate in der Membranmatrix. Pro mol führen sie 6-12 mol H20 mit [86]. Der Effekt ist aber in der Wasserbilanz näherungsweise vernachlässigbar, da aufgrund der Elektroneutralität gleiche Stoffmengen gegenläufig wandern.

Durch die Hydrogencarbonatbildung wird auf der Feedseite Wasser gebunden, auf der Permeatseite Wasser freigesetzt. Pro mol CO2, das als Hydrogencarbonat durch die Membran wandert, wird aufgrund dieser Mechanismen ein mol Wasser transportiert. Auf der Permeatseite frei werdendes Wasser wandert dann gemäß Partialdruckgefälle. Konzentrationspolarisationsphänomene sind dabei für Wasser nicht zu erwarten, da Wasser mobiler als CO2 ist.

Vorstellbar ist aber, dass ein simultaner Austritt von Wasser und CO2 auf der Permeatseite den Zerfall von Hydrogencarbonat beschleunigt, d.h. evtl. ein trockener Spülgasstrom im Permeatraum die Permeation beschleunigt und ein wasserdampfhaltiger die Permeation verlangsamt. Hinzu kommt die mögliche Bildung eines Kondensatfilms an der Permeatseite der Membran bei Verwendung eines vollständig mit Wasserdampf gesättigten Spülgases.

Ein trockener Permeatgasspülstrom könnte aber auch zu einer teilweisen Membranaustrocknung,mit den oben beschriebenen Nachteilen führen, wenn der Wassertransport von der Feedseite nicht ausreichend schnell erfolgt.

In einer Membran stellt sich im stationären oder Gleichgewichtszustand ein konstanter Wassergehalt ein, der eine Funktion des Partialdrucks von Wasser, des Druckes und der Temperatur ist. Sind in der Membranmatrix nur geringe Wasserkonzentrationen vorhanden, gehen diese in die Kinetik ein (Änderung der K-Werte, vgl. Kap. 4.3.3) und können nicht mehr wie in freier Lösung vernachlässigt werden. Eine einfache Abhängigkeit (Erhöhung der Wasserkonzentration führt zu Erhöhung der Flußraten) ist aber nicht bekannt. So verläuft die CO2-Permeabilität bei PVBTAF (vgl. Formel 3/1) durch ein Maximum bei ca. 50% relativer Feuchte der Gasströme, der Trennfaktor CO2/H2 steigt mit zunehmender Feuchte und bleibt ab 60% etwa konstant. Aminfunktionalisierte Polyimide (vgl. [44]) zeigen bei den Trennfaktoren analoges Verhalten, die Permeabilitäten sinken aber kontinuierlich mit zunehmender Feuchte der Gasströme.

Dieses Verhalten deutet bei den aufgeführten unvernetzten Polymeren auf die Dominanz eines Quellungseffekt für die sich ergebenden Permeationseigenschaften hin. Die Membranmatrix quillt bei zunehmender Wasserkonzentration zu, was sie für CO2 und um so mehr für Stickstoff undurchlässig macht.

Nur bei Membranen, die primäre und sekundäre Amine kovalent oder durch Kationenaustausch gebunden enthalten, ist Wasser für das Funktionieren der Membranen nicht zwingend notwendig; solche Membranen weisen aber um Größenordnungen schlechtere Permeabilitäten auf als wasserhaltige.

4.4 Zusammenfassende Beurteilung

 

Aus den beschriebenen Transportmodellen geht hervor, dass der Transport in Carrier-Membranen durch die Verfügbarkeit von parallelen Transportmöglichkeiten höhere Permeabilitäten und Trennfaktoren ermöglicht als in sonstigen Membran-Systemen.

Aufgrund der auftretenden Langmuir-Charakteristik sind nur Membranen mit hohen Carrierkonzentrationen (Ionenaustauscherkapazität) für Trennungen bei höheren CO2-Partialdrücken geeignet (vgl. Kap. 4.3.2). Auch die maximal in der Membran mögliche Hydrogencarbonat- oder Carbamatkonzentration ist durch die Konzentration reaktiver Stellen limitiert.

In der Carrier-Membran muss die Geschwindigkeit Komplexbildung > Zerfall des Komplexes >= Transport sein.

Die in der Membran zu transportierenden Teilchen sollten möglichst geringe Molmassen haben und die Struktur der Membranmatrix sollte diesen Molmassen angepaßt sein.

Membranen hoher Selektivität und Permeabilität sind nur als wassergequollene Polymergele realisierbar. Für die Membransynthese ergibt sich die Aufgabenstellung, den Wassergehalt und die Quellung der Membranen optimal einzustellen.